EuGH: Rückforderung staatlicher Beihilfen für terrestrisches Digitalfernsehen in Spanien rechtswidrig

Der Beschluss der Europäischen Kommission, mit dem sie die Rückforderung der staatlichen Beihilfe anordnete, die Spanien im Rahmen der Umstellung vom analogen auf das Digitalfernsehen den Betreibern der Plattform für terrestrisches Fernsehen gewährt hatte, ist nichtig. Dies hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 20.12.2017 entschieden und das Urteil der Vorinstanz aufgehoben. Die Kommission habe nicht ausreichend begründet, warum die Beihilfe selektiv gewesen sei (Az.: C-70/16 P).

Beihilfen für DVB-T-Plattformbetreiber gewährt

In den Jahren 2005 bis 2009 erließen die spanischen Behörden eine Reihe von Maßnahmen zur Umstellung vom analogen auf das Digitalfernsehen. Die nationalen Rundfunkanbieter waren verpflichtet, in ihrem jeweiligen Gebiet die Bevölkerung im privaten Sektor zu 96% und im öffentlichen Sektor zu 98% zu versorgen. Zur Verwaltung der Digitalisierung unterteilten die spanischen Behörden das spanische Hoheitsgebiet in drei verschiedene Gebiete (I, II und III). Das Gebiet II, um das es in den hier entschiedenen Rechtssachen ging, umfasst weniger urbanisierte und entlegene Regionen, in denen 2,5% der spanischen Bevölkerung leben. Angestrebt wurde, einen Versorgungsgrad der spanischen Bevölkerung mit der Dienstleistung des terrestrischen Digitalfernsehens (DVB-T) von 98% zu erreichen, was dem Prozentsatz für analoges Fernsehen im Jahr 2007 entsprach. Im Gebiet II investierten Rundfunkanbieter mangels eines kommerziellen Interesses nicht in die Digitalisierung. Die spanischen Behörden bewilligten daher eine öffentliche Finanzierung, um den Prozess der terrestrischen Digitalisierung in diesem Gebiet zu unterstützen.

Kommission erklärte Beihilfen für rechtswidrig und ordnete Rückforderung an

Im Juni 2013 erklärte die Kommission im Anschluss an eine Beschwerde von SES Astra, eines europäischen Satellitenbetreibers, die Beihilfe für rechtswidrig und mit dem Binnenmarkt unvereinbar, die den Betreibern der terrestrischen Fernsehplattform im Gebiet II für ganz Spanien mit Ausnahme der Autonomen Gemeinschaft Kastilien-La Mancha gewährt worden war. Die Kommission ordnete zudem die Rückforderung der Beihilfe von den Empfängern an.

EuG bestätigte Kommissionsbeschluss

Spanien, die Autonomen Gemeinschaften Baskenland, Galicien und Katalonien sowie mehrere Betreiber des terrestrischen Digitalfernsehens klagten vor dem Gericht der Europäischen Union auf Nichtigerklärung des Kommissionsbeschlusses. Das EuG wies alle Klagen ab und bestätigte den Beschluss der Kommission. Es stellte unter anderem fest, dass bei den Maßnahmen der spanischen Behörden der Grundsatz der Technologieneutralität nicht beachtet worden sei. Spanien sowie die genannten Autonomen Gemeinschaften und Betreiber des terrestrischen Digitalfernsehens legten dagegen beim EuGH Rechtsmittel ein.

EuGH: Selektivität der Beihilfe ohne ausreichende Begründung angenommen

Der EuGH hat die Rechtsmittel in allen Rechtssachen (C-66/16 P, C-67/16 P, C-68/16 P, C-69/16 P sowie C-81/16 P) zurückgewiesen, außer in der Sache C-70/16 P. In letzterer hat der EuGH das EuG-Urteil aufgehoben und den Kommissionsbeschluss für nichtig erklärt. Denn die Kommission habe ihre Annahme der Selektivität der Beihilfe nicht ausreichend begründet. Laut EuGH muss die Prüfung der Voraussetzung der Selektivität einer Beihilfemaßnahme ausreichend begründet werden, um unter anderem eine umfassende gerichtliche Kontrolle der Vergleichbarkeit der Situation der Wirtschaftsteilnehmer, die von der Maßnahme begünstigt würden, mit derjenigen der Wirtschaftsteilnehmer, die von ihr ausgeschlossen seien, zu ermöglichen.

Keine Feststellungen zur Vergleichbarkeit getroffen

Das EuG habe die Ansicht vertreten, die Begründung der Kommission in diesem Punkt zeige auf, dass durch die in Rede stehende Maßnahme ausschließlich der Rundfunkbereich begünstigt werde und in diesem Bereich von dieser Maßnahme ausschließlich die auf dem Markt der terrestrischen Plattform tätigen Unternehmen betroffen seien. Der EuGH betont, dass weder der Beschluss der Kommission noch das EuG-Urteil den geringsten Hinweis enthielten, aus welchen Gründen davon auszugehen sein sollte, dass die im Rundfunkbereich tätigen Unternehmen sich in einer tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, die derjenigen der in anderen Bereichen tätigen Unternehmen vergleichbar sei. Es finde sich auch kein Hinweis, warum anzunehmen sei, dass die Unternehmen, die die terrestrische Technologie nutzten, sich in einer tatsächlichen und rechtlichen Situation befänden, die derjenigen der Unternehmen vergleichbar sei, die andere Technologien verwendeten.

Beihilfe nur für DVB-T-Plattformbetreiber nicht automatisch selektiv

Die Kommission habe gemeint, insoweit sei keine Begründung erforderlich gewesen, da die Voraussetzung der Selektivität automatisch erfüllt sei, wenn eine Maßnahme ausschließlich auf einen Tätigkeitsbereich oder auf Unternehmen eines bestimmten geografischen Gebiets angewandt werde. Der EuGH weist hierzu darauf hin, dass eine Maßnahme, die nur einem Produktionszweig oder einem Teil der Unternehmen dieses Produktionszweigs zugutekomme, nicht zwangsläufig selektiv sei. Denn sie sei es nur dann, wenn sie im Rahmen einer bestimmten rechtlichen Regelung bewirkt, dass bestimmte Unternehmen gegenüber anderen begünstigt werden, die einem anderen oder demselben Wirtschaftszweig angehören und sich im Hinblick auf das mit dieser Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden.

EuGH, Urteil vom 20.12.2017 - C-70/16

Redaktion beck-aktuell, 21. Dezember 2017.